Rhetorik-Logo Hauptseminare und Kolloquien


Dr. Franz-Hubert Robling: Demosthenes-Kult in der antiken Rhetorik

2 st., Do 9-11

"Als den wirklich vollkommenen Redner, dem überhaupt nichts mehr fehlt, wird man ohne Zögern Demosthenes bezeichnen." Dieses Urteil Ciceros im Dialog "Brutus" (Abschnitt 35) gibt die Ansicht der meisten antiken Rhetoriker über den grö▀ten Redner des Altertums wieder. Im Seminar sollen positive wie negative Aspekte dieser Wertschätzung anhand von Interpretationen von Texten Ciceros, Quintilians, Dionysios' von Halikarnassos, Pseudo-Longinos' und anderen untersucht werden.

Als Einführung in die rhetorische Kunst des Demosthenes sei empfohlen: Demosthenes, Politische Reden (Reclam), 3. Rede gegen Philipp.

Prof. Dr. Joachim Knape: 500 Jahre Tübinger Rhetorik

2 st., Di 18-20

In den 80er Jahren des 15. Jahrhunderts wurde an der Tübinger Universität das Fach Rhetorik etabliert. Im Jahre 1496 wurde mit dem Humanisten Heinrich Bebel der erste uns namentlich bekannte Rhetorikprofessor nach Tübingen berufen.

Das Seminar dient der vorbereitenden Erarbeitung einer Ausstellung zur Tübinger Rhetorikgeschichte vom 15. bis 20. Jahrhundert. Jeder Teilnehmer soll einen Beitrag zu dem in Aussicht genommenen Katalog beisteuern, der vor Eröffnung der Ausstellung in Druck geht. Die Seminarteilnehmer können bei der Gelegenheit rhetorikhistorisch wichtige Texte bzw. Zeugnisse kennenlernen und zugleich ihre Fähigkeiten in journalistisch-publikumsorientierter Aufarbeitung geschichtlicher Materialien schulen.

Literaturhinweis:

J. Knape: Die Interdisziplinarität der Tübinger Rhetorik in historischer Sicht. Mit einem Anhang z. d. Tübinger Rhetorikprofessoren. In: K. Strobel (Hg.): Die deutsche Universität im 20. Jh. Vierow bei Greifswald 1994, S. 200 - 217.

Prof. Dr. Joachim Knape: Historische Diskursforschung

2 st., Di 11-13

Das Seminar beschäftigt sich mit der Frage, wie sich Kommunikationsprozesse vergangener Zeiten mit Hilfe der Diskursanalyse erforschen lassen.

Michel Foucault begründete die historische Diskursforschung, indem er bei seinen Analysen über die Jahrhunderte gehende Entwicklungsprozesse in den Blick nahm. Inzwischen knüpfen verschiedene Einzelwissenschaften an seinen Ansatz an, um historische, vor allem auch literaturhistorische Phänomene und die Epochenbildung diskurstheoretisch fassen zu können (vor allem Germanistik und die Romanistik gehen hier voran).

Im Seminar sollen neuere Forschungen auf diesem Gebiet diskutiert werden.

Literatur zur ersten Orientierung:

M. Titzmann: Kulturelles Wissen - Diskurs - Denksystem. In: Zeitschrift für franz. Sprache und Literatur 99 (1989), 47 - 61.

Dr. Gregor Kalivoda: Rhetorik und Homiletik - Theorie und Geschichte pastoraler Beredsamkeit

2 st., Di 9-11

Die Predigtlehre ist ein Resultat der Predigtgeschichte, der rednerischen Praxiserfahrung. Sie reflektiert die zentrale Stellung, die der öffentlichen religiösen Kundgabe im christlichen Kultus zukommt. Theorien der Predigt und lehrhafte Anleitungen des Predigers sind seit der Spätantike Gegenstand von Schriften zur rhetorica divina oder eloquentia sacra, zur ars praedicandi oder ratio concionandi, zur oratoria ecclesiastica oder - seit dem 17. Jahrhundert - zur Homiletik. Letztgenannte gilt als Teildisziplin der praktischen oder pastoralen Theologie und behandelt thematische, situative, typologische sowie rhetorisch-sprachliche Aspekte des Predigens. In dieser Hinsicht werden folgende Bereiche der Homiletik unterschieden:

1.Prinzipielle Homiletik (theologische Grundlagen und religiöse
Bestimmtheit der Rede als Predigt)

2. Materiale Homiletik (Quellen und Inhalte der Predigt)

3.Formale Homiletik (Anordnung des Stoffes, sprachliche Mittel,
kommunikative Bedingungen der Predigt)

4.Pastorale Homiletik (Aufgaben des Predigers, Wirkungen religiöser
Rede

Aus der Sicht der Rhetorik sind damit fachlich-thematische (materia, studia, inventio), ordnende (dispositio), schmückende (elocutio, Figurenlehre) und wirkungsbezogene (argumentatio, persuasio) Kriterien der Predigt thematisiert. In gattungsgeschichtlich-typologischer Hinsicht können diese Kriterien dargestellt werden an rednerischen Exempeln, die von der Bergpredigt über die Paulusbriefe, die Modellpredigten der Apostelgeschichte, die Homilie, die Themenpredigt, die Kapuzinade, die Luther- und Jesuitenpredigt, die Volks- und Gemeindepredigt oder die akademische Predigt bis zur modernen Rundfunk- und Fernsehpredigt reichen.

Homiletik ist immer Predigtlehre und Theologie zugleich, d. h. pastorale Exegese (Schriftsinn), Reflexion der Predigerrolle und des Auditoriums (Gemeinde), Anweisung zur inhaltlichen und strukturalen Konzeption (Rede), Analyse eines Sprechereignisses (Situation) sowie Bestimmung von Textfunktion und -wirkung (Intention).

Als "jüngere Schwester der Rhetorik" (H. M. Müller) steht die Homiletik in einem Spannungsverhältnis zur klassischen und modernen Rhetorik, das durch Abgrenzung und Rivalität, Anlehnung und Lernbereitschaft geprägt ist. Gegenstand des Seminars wird nicht nur dieses Fundierungsverhältnis zwischen Homiletik und Rhetorik sein, sondern auch die rhetorisch beeinflu▀te Theorie- und Praxisgeschichte der pastoralen Beredsamkeit sowie die exemplarische Analyse von Predigttexten mit den Mitteln der Redelehre und angrenzender Disziplinen (z. B. Psychologie, Semiotik).

Literaturhinweise:

- Bauer, B.: Jesuitische ars rhetorica im Zeitalter der Glaubenskämpfe (1986).

- Daiber, K. F.: Predigt als religiöse Rede (1991).

- Gei▀ner, H.: Die Predigt und die rhetorische Kommunikation im Gottesdienst, in: Theologia Practica 12 (1977).

- Grözinger, A.: Das Verständnis von Rhetorik in der Homiletik, in: Theologia Practica 14 (1979).

- Grünberg, W.: Homiletik und Rhetorik (1973).

- Herzog, U.: Die Predigt, in: Weissenberger, K. (Hg.): Prosakunst ohne Erzählen (1985).

- Historisches Wörterbuch der Rhetorik: Artikel ars praedicandi; Bibelrhetorik; Christliche Rhetorik.

- Jens, W.: Kanzel und Katheder (1984).

- Josuttis, M.: Rhetorik und Theologie in der Predigtarbeit (1986).

- Mertens, V., Schiever, H. J. (Hg.): Die deutsche Predigt im Mittelalter (1991).

- Müller, H. M.: Homiletik (1996).

- Otto, J.: Predigt als rhetorische Aufgabe (1987).

- Prestel, P.: Die Rezeption der ciceronischen Rhetorik durch Augustinus in De doctrina Christiana (1992).

- Rhetorik-Jahrbuch, Bd. 5 (1986): Rhetorik und Theologie.

- Schnell, U.: Die homiletische Theorie Philipp Melanchthons (1968).

- Schütz, W.: Geschichte der christlichen Predigt (1972).

- Stolt, B.: Docere, delectare und movere bei Luther, in: DVJS 44 (1977).

- Wolff, O. L. B.: Handbuch der geistlichen Beredsamkeit (1849).

Dr. Anna Czajka-Cunico: Ästhetik und Rhetorik - Hauptprobleme der gegenwärtigen Ästhetik und ihre rhetorischen Lösungen I: Das Problem des Bildes

2 st., Kompaktseminar, 22. - 29.04.1996

Vorbesprechung: Freitag, 19. April 1996

In der gegenwärtigen Ästhetik, sei es infolge ihres verwissenschaftlichten, sei es ihres "negativen" Charaktes, war das Problem des Bildes - generell gesehen - an den Rand geschoben, wenn nicht gar ausgelöscht worden. Es taucht aber in provozierenden Versionen wie derjenigen von Jean Baudrillard wieder auf und lä▀t über die Bedeutung nachdenken, welche es im 20. Jahrhundert u. a. in den Konzeptionen der Psychoanalyse (Freud, Jung), Kunsttheorie (Warburg und seine Schule) hatte; es lä▀t an die grandiose humanistische Erneuerung in der Kulturauffassung zurückdenken, die mit dem Werk von E. R. Curtius verbunden ist.

Im Seminar werden einige der Hauptpositionen zur Problematik des Bildes analysiert. Es wird anschlie▀end gefragt, u. a. im Rückgriff auf den Ansatz zur Auffassung des Bildes, der im Werk von G. Vico zu finden ist, nach dem Beitrag, den die rhetorisch bezogene Behandlung der Problematik des Bildes zu einer umgreifenden und qualitativen Auffassung der Wirklichkeit leisten kann. Von jedem Teilnehmer des Seminars wird die Übernahme des Referats zu einer der in der Literaturliste signalisierten Positionen erwartet.

Literatur:

- Th. W. Adorno: Ästhetische Theorie. Frankfurt a. M. 1970, insbesondere der Abschnitt Das Kunstschöne: "apparition", Vergeistigung, Anschaulichkeit.

- ders.: Versuch, das Endspiel zu verstehen. In: Noten zur Literatur, Frankfurt a. M. 1961.

- H.-G. Gadamer: Wahrheit und Methode. Tübingen 1960, insbesondere die Abschnitte Die Seinsvalenz des Bildes und Der ontologische Grund des Okkasionellen und des Dekorativen im 1. Teil, Kap. II.

- C. G. Jung: Die Archetypen und das kollektive Unbewu▀te. Olten 1989, insbesondere die Texte Über die Archetypen des kollektiven Unbewu▀ten. Der Begriff des kollektiven Unbewu▀ten, Über den Archetyp .

- ders.: Symbole der Wandlung. Olten 1988, insbesondere Teil 1, Kap. 1 - 2, Teil 2, Kap. 1 - 3.

- E. H. Gombrich: Das symbolische Bild. Stuttgart 1986, insbesondere die Einleitung.

- E. R. Curtius: Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter. Tübingen und Basel 1948, insbesondere das Kapitel Topik .

- H. Blumenberg: Die Lesbarkeit der Welt. Frankfurt a. M. 1981, insbesondere das 1. Kapitel.

- J. Baudrillard: Kool Killer oder Der Aufstand der Zeichen. Berlin 1978.

- P. Ricoeur: Die lebendige Metapher. München 1986, insbesondere das 6. Kapitel.

- E. Bloch: Traum von einer Sache (1929), Imago an Menschen und Dingen (1932), Die Idealbilder Keplers (1931). In: Philosophische Aufsätze zur objektiven Phantasie. Frankfurt a. M. 1969.

- ders.: Tagtraum in entzückender Gestalt: Pamina oder das Bild als erotisches Versprechen. In: Das Prinzip Hoffnung. Frankfurt a. M. 1959.

- G. Böhm (Hg.): Was ist ein Bild? München 1995 (2).

Nebenankündigung - Hauptseminar

Dr. Christof Rapp (Philos. Seminar): Aristoteles, Topik und Elenktik

2 st., Di 18-20, Alte Burse, Raum X

Die "Topik" des Aristoteles gehört zu jenen Texten, die häufig zitiert, aber offenbar nur selten gelesen werden. Aristoteles entfaltet darin seine "Dialektik", eine Methode, durch die es möglich sein soll, jedes vorgelegte Problem aus jedem Gegenstandsbereich zu erörtern. Ein System von sogenannten "Topoi" - darunter fallen bei Aristoteles verschiedene Arten von Argumentationsmustern wie Schlu▀- und Ableitungsregeln oder eher heuristische Merksätze - soll den Dialektiker dazu befähigen, aus anerkannten, aber nicht bewiesenen Sätzen Schlu▀folgerungen zu ziehen, um entweder den Kontrahenten im dialektischen Argumentationsspiel zu widersprüchlichen Zugeständnissen zu bewegen oder um selbst einen solchen Satz widerspruchsfrei zu verteidigen. Wer dieses dialektische Verfahren beherrscht und sich darauf versteht, eine jede Sache "nach beiden Seiten hin" zu prüfen, der sieht auch besser, was eine philosophische These Haltbares an sich hat, und kann schlie▀lich auch (nach einer vielbemühten, aber deswegen nicht klareren Stelle) zur einzelwissenschaftlichen Prinzipienerkenntnis beitragen.

Neben der "Topik" werden im Seminar auch die "Sophistischen Widerlegungen" gelesen; sie sind als Anhang zur "Topik" konzipiert und behandeln die nur scheinbaren, aber nicht gültigen Schlüsse.

Griechischkenntnisse werden nicht vorausgesetzt.

Benotete Scheine werden aufgrund eines Referats und einer schriftlichen Hausarbeit vergeben.

▄bersetzungen:

- Aristoteles, Topik, Philosophische Bibliothek, Verlag F. Meiner, Hamburg.

- Aristoteles, Sophistische Widerlegung, Philosophische Bibliothek, Verlag F. Meiner, Hamburg.

- Eine griechische Ausgabe beider Texte liegt in der Reihe "Oxford Classical Texts" vor.

Kolloquien

Prof. Dr. Joachim Knape: Kolloquium für Doktoranden

2 st., nach Vereinbarung

olaf.kramer@uni-tuebingen.de(olaf.kramer@uni-tuebingen.de) Stand: 15. 4. 1996